Wer bisher dachte, die Weltherrschaft zu erlangen, sei ein Kinderspiel, wird mit Europa Universalis IV vom schwedischen Entwickler Paradox Interactive eines Besseren belehrt. Zugegeben, die Grafik dieses Spiels ist für so einen übermächtigen Genrevertreter sehr gelungen. Das Umschalten der Kartenmodi, die Grenzziehungen, die Armeen, alles ist hübsch und liebevoll gezeichnet. Trotzdem dürften sich vor allem Casuals und Genreneulinge eher verloren fühlen.
Kaiser, König, Edelmann
Das Spiel beginnt im 15. Jahrhundert, einer Zeit, in der es vor allem Monarchien gab. Man übernimmt also als Regent eine der weit über 200 Nationen und führt sie bis ins 21. Jahrhundert. Allerdings gibt es kein definiertes Ziel. Das setzt man sich selbst. Natürlich ist nicht jedes Volk gleich leicht zur Blüte zu bringen. Mit einem asiatischen Bergvolk hat man es sicher schwerer als mit einer der europäischen Platzhirsche. Und richtig gelesen, Europa Universalis IV beschränkt sich nicht auf Europa, sondern bietet nicht weniger als die ganze Welt an. Und so komplex wie die Welt ist auch das Spiel. Man muss immer ein Auge auf die Diplomatie und die Wirtschaft haben. Immer. Vernachlässigt man diese Bereiche, kann es schnell dazu führen, dass man mittellos vor seinen Eroberern steht. Das Tutorial ist leider nur eine oberflächliche Hilfe. Man lernt zwar einige Grundzüge kennen, aber die Zusammenhänge und Folgen des eigenen Handelns bleiben zunächst verborgen.
Faktoren wie Religion, Kernprovinzen, Bündnisse, Vasallentum oder Macht müssen bei jeden Schachzug bedacht werden. Wer sich unbekümmert auf ein vermeintlich schwaches und kleines Land stürzt, um es zu erobern, kann eine böse Überraschung erleben. Schnell hat man dann auch die Großmächte wie Österreich, Frankreich oder das Russische Zarenreich gegen sich. Aber die Gefahr kommt nicht immer von außen. Revolten und Unterhaltskosten für Armeen sorgen für ausreichend Beschäftigung im Innern. Wer also ungeübt ist, sollte sich keine kleine Nation wie Hamburg oder Braunschweig auswählen, sondern lieber mit einem starken Frankreich starten.
Was es nicht leichter macht
[aartikel]B00DPFKKYI:right[/aartikel]Neben der Komplexität wird die Orientierung durch auslaufende Beschriftungen, zu kleine Schriftgrößen oder vergessene Übersetzungen erschwert. Sachsen heißt dann mal Saxony oder Ostfriesland nennt sich East Frisia. Ähnlich polyglotte Ansätze findet man auch in den Menüs, was den Spielspaß leider etwas ausbremst. Außerdem sind an jeder Ecke Informationen deponiert, die man auslesen und deuten können muss, damit sie hilfreich sind. Hilfreich sind sie natürlich schon. Alleine die vielen Kartenmodi zeigen auf einen Blick, wie es um die Religionsverteilung steht, wo Revolten drohen, welchen Handelswert die Regionen haben oder auf welchem technologischen Stand sie stehen.
Um das Spiel noch etwas zu würzen, wurden Ereignisse und Aufträge eingebaut. Da bricht dann unerwartet eine Revolte der Bauern aus oder man wird gebeten, gewisse Provinzen zu erobern, um ein (historisches) Großreich zu errichten. Feste historische Ereignisse wie Englands Rosenkrieg treten ebenfalls auf.
Macht macht glücklich
Um etwas in Europa Universalis IV ausrichten zu können, muss der Herrscher Macht aufbauen. Aber Macht ist nicht gleich Macht. Es gibt administrative, militärische und diplomatische Macht, die anfangs natürlich noch sehr niedrig sind. Für die Entwicklung bahnbrechender Ideen Bereichen wie Seemacht, Diplomatie oder Spionage müssen sie also wachsen. Machtpunkte sind schnell ausgegeben, aber mühsam verdient. So kann man die Mächte auch für andere Dinge ausgeben. Man ist also immer wieder gezwungen abzuwägen. Führt man lieber die Idee der Leibeigenschaft ein oder gliedert man die neu eroberte Provinz der eigenen Kultur an?
Apropos erobern: Für jeden Feldzug sollte man einen Casus Belli haben, also einen Kriegsgrund. Es dauert eine Weile, ehe man den erarbeitet hat, so dass schnelle Eroberungsfeldzüge zunächst einmal ausgebremst werden. Hat man dann alle Provinzen besetzt, die man sich vom Nachbarn wünscht, tritt man erneut in Verhandlung. Es ist also nicht selbstverständlich, die eroberte Provinz auch annektieren zu dürfen.
Fazit
Europa Universalis IV ist die gewohnte Kost von Paradox. Wer Victoria kennt, kennt auch schon einen großen Teil von Europa Universalis IV. Neulinge und Casuals sollten sich gut überlegen, ob sie zu diesem Spiel greifen. Insbesondere dann, wenn sie kein Interesse an einer zähen Lernkurve haben, denn Hilfestellungen gibt es nicht viele. Für Vollblut-Strategen ist Europa Universalis IV dagegen ein Schrein der Offenbarung – mit leichten Schwächen.
Die Grafik ist zwar vor allem zweckmäßig, aber für das Genre durchaus hübsch anzusehen und angemessen. Die Übersetzung und auch die Menüführung sind gewöhnungsbedürftig und teilweise störend. Dennoch kann man darüber hinwegsehen, wenn man sich von der schönen klassischen Musik dahintreiben lässt.
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