Sid Meier’s Civilization VII, das morgen weltweit erscheint, verspricht eine Revolution im 4X-Strategiegenre. Firaxis Games wagt mit dem siebten Teil einen mutigen Schritt, der das bewährte Spielprinzip grundlegend erweitert und vertieft.
Das Herzstück der Neuerungen bildet das innovative Zeitalter-System. Statt einer linearen Progression erleben Spieler nun distinkte Epochen, jede mit eigenen Zivilisationen, Ressourcen und Spielmechaniken. Diese Umstellung verspricht eine tiefere historische Immersion und stellt höhere Anforderungen an die strategischen Fähigkeiten der Spieler.
Ein faszinierendes Feature ist die Möglichkeit, zu Beginn jedes Zeitalters die Zivilisation neu zu gestalten. Dies eröffnet frische strategische Optionen und erhöht die Wiederspielbarkeit enorm. Spieler können nun Anführer und Zivilisationen unabhängig voneinander wählen, was eine Vielzahl neuer Kombinationen ermöglicht.
Schöner und besser
Die Spielwelt präsentiert sich in einem detaillierten, lebendigen Stil. Die kulturelle Vielfalt der Zivilisationen wird durch unterschiedliche Architekturstile und Einheitendesigns zur Geltung gebracht. Besonders beeindruckend sind die nahtlosen Übergänge zwischen den Zeitaltern.
Das Gameplay wurde in vielen Bereichen verfeinert. Die Einführung von Kommandeuren für Armeen bringt eine neue taktische Ebene in militärische Konflikte. Die Möglichkeit, Flüsse zu befahren, eröffnet neue strategische Optionen. Das überarbeitete Religionssystem mit seinen Heiligen Stätten verspricht mehr Tiefgang und komplexere Interaktionen zwischen Glauben und Politik.
Technisch setzt Civilization VII neue Maßstäbe. Cross-Play und Cross-Progression ermöglichen nahtloses Spielen über Plattformgrenzen hinweg. Der Multiplayer-Modus wurde erweitert und bietet nun die Möglichkeit, epische Mehrzeitalter-Kampagnen oder fokussierte Einzelzeitalter-Partien zu spielen.
Städte und Gemeinden: Ein neues System
Eine der bedeutendsten Neuerungen ist die Einführung von Gemeinden als Ergänzung zu klassischen Städten. Während Städte weiterhin das Herzstück der Produktion und Entwicklung bleiben, dienen Gemeinden als spezialisierte Unterstützungszentren. Diese können beispielsweise als Handelsaußenposten, Ackerbürgerstädte oder Festungsstädte fungieren und bieten Boni auf Nahrung, Zufriedenheit, Verteidigung oder Handel. Gemeinden haben kein Produktionsmenü; stattdessen wird ihre Produktion automatisch in Gold umgewandelt. Dies reduziert den Verwaltungsaufwand erheblich und ermöglicht es Spielern, sich auf strategische Entscheidungen zu konzentrieren.
Später im Spiel können Gemeinden durch den Einsatz von Gold in vollwertige Städte umgewandelt werden. Dieser Schritt ist jedoch irreversibel und erfordert vorausschauende Planung, da jede Gemeinde nur eine spezifische Rolle pro Zeitalter erfüllen kann. Diese Mechanik belohnt langfristige Strategien und macht Expansion weniger belastend als in früheren Teilen der Reihe.
Abschied von Handwerkern: Wachstum treibt Modernisierung an
Eine weitere radikale Änderung ist das Wegfallen von Handwerkereinheiten. Stattdessen ist die Verbesserung von Geländefeldern nun direkt mit dem Bevölkerungswachstum verknüpft. Sobald eine Siedlung genügend Nahrung gesammelt hat, erhält sie einen Bevölkerungspunkt, der entweder einem Geländefeld zur Verbesserung oder einem Spezialistenplatz in einem Stadtbezirk zugewiesen werden kann. Diese Mechanik sorgt für eine organischere Entwicklung und reduziert den Mikromanagement-Aufwand erheblich.
Darüber hinaus können ältere Gebäude und Modernisierungen überaltert werden, was bedeutet, dass sie ihre Effekte verlieren und durch neue Strukturen ersetzt werden müssen. Dies zwingt Spieler dazu, ihre Städte kontinuierlich an neue Herausforderungen und Ressourcen anzupassen.
Überarbeitete Bezirke: Flexibilität statt starrer Spezialisierung
Das Bezirkssystem aus Civilization VI wurde ebenfalls überarbeitet. Bezirke sind nun flexibler gestaltet: Anstatt sie vorab zu planen, entstehen sie automatisch durch den Bau von Gebäuden. Jeder Bezirk bietet Platz für zwei Gebäude, die frei gewählt werden können. Dadurch können Spieler ihre Städte dynamisch anpassen und spontane Entscheidungen treffen, ohne langfristige Planungsfehler befürchten zu müssen.
Features aus Humankind?
Im Vergleich zu ähnlichen Spielen wie Humankind zeigt sich, dass Civilization VII einige Konzepte aufgreift und weiterentwickelt. Die Möglichkeit, Zivilisationen und Anführer unabhängig zu wählen, erinnert an Humankinds Ansatz, die Kultur im Spielverlauf zu wechseln. Jedoch geht Civilization VII mit seinem Zeitalter-System noch einen Schritt weiter, indem es distinkte historische Epochen mit eigenen Spielmechaniken einführt. Während Humankind bereits eine flexiblere Herangehensweise an historische Entwicklung bot, scheint Civilization VII dieses Konzept zu verfeinern und in ein umfassenderes Spielerlebnis zu integrieren.
Die Einführung von Kommandeuren für Armeen in Civilization VII ähnelt dem Heldensystem in Humankind, geht aber möglicherweise tiefer in die militärische Strategie. Auch die Betonung der visuellen Entwicklung der Spielwelt über die Zeitalter hinweg findet sich in beiden Spielen, wobei Civilization VII mit seinen nahtlosen Übergängen zwischen den Epochen einen neuen Standard setzen könnte.
Auch die Möglichkeit, Gemeinden zu spezialisieren, ähnelt Humankinds Ansatz der Stadtbezirke mit spezifischen Rollen. Allerdings geht Civilization VII mit seinem Gemeinde-System einen Schritt weiter: Die automatische Goldproduktion und die Spezialisierung auf eine feste Rolle pro Zeitalter machen das System zugänglicher und strategischer zugleich.
Auch das Wegfallen der Handwerker erinnert an Humankinds vereinfachtes Ressourcenmanagement. Während Humankind jedoch stark auf kulturelle Wechsel setzt, bleibt Civilization VII seiner historischen Progression treu und führt mit dem Zeitalter-System eine klar strukturierte Entwicklung ein.
Wermutstropfen
Neben den ambitionierten Neuerungen und der beeindruckenden Spieltiefe offenbart Civilization VII bei näherer Betrachtung auch einige Schwächen, die das Spielerlebnis trüben können. So kämpft das Spiel mitunter mit Problemen bei der Übersichtlichkeit. Unsichtbare Einheiten, die auf der Karte verschwinden, erschweren die strategische Planung und erfordern ständige Aufmerksamkeit. Auch die Präsentation des Sieges fällt eher unspektakulär aus und vermisst schmerzlich die ikonische „Nur noch eine Runde“-Funktion, die viele Fans der Serie seit Jahren begleitet.
Das System mit den Erkundern wirkt unfertig. Obwohl zu erkundende Orte auf der Karte markiert werden, können diese Markierungen nach dem Erreichen durch den Erkunder nicht immer entfernt werden, was im späteren Spielverlauf zu Verwirrung führt. Zudem sind die Benachrichtigungen der Erkunder mitunter leer, was die Informationsbeschaffung unnötig erschwert. Die deutsche Übersetzung der Texte weist zudem einige grammatikalische Fehler auf, die den Lesefluss stören („normannisch Bürger“).
Das Religionssystem erweist sich als zwiespältig. Einerseits bietet es mit den Heiligen Stätten neue strategische Möglichkeiten, andererseits verbietet es die Bekehrung heiliger Stätten anderer Spieler, selbst mit erhöhtem Aufwand. Zudem können Missionare der eigenen Religion selbst in bereits bekehrten Städten ausgebildet werden, was die Glaubensverbreitung unnötig vereinfacht und dem System die strategische Tiefe nimmt.
Ein weiterer Wermutstropfen ist das Interface, das einen unausgereiften Eindruck hinterlässt. Es wirkt provisorisch, wenig übersichtlich und stellenweise unnötig platzverschwenderisch. Auch die einzigartigen Forschungen der Völker sind bei Epochenwechseln nicht direkt im Volksauswahlmenü sichtbar, sondern müssen erst mühsam gesucht werden. Die Mechaniken des Überbauens werden zudem nicht ausreichend erklärt und dokumentiert, was gerade neuen Spielern den Einstieg erschwert. Der Frühzugang (Advance Access) entpuppt sich als Augenwischerei, da das Spiel zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgereift genug war und eher einer Testphase glich.
Die Einteilung der Zeitalter wirkt zudem inkonsistent. So endet das moderne Zeitalter bereits um das Jahr 1950, obwohl zu diesem Zeitpunkt bahnbrechende Entwicklungen wie Raketen-, bemannte Raumfahrt- und Überschallprogramme stattfanden. Auch die Abwesenheit Englands als Nation ist unverständlich, da das Land gerade in der Erkundungsphase als größte Kolonialmacht prädestiniert gewesen wäre. Es bleibt zu hoffen, dass Firaxis Games diese Schwächen in zukünftigen Updates behebt, um das Potenzial von Civilization VII voll auszuschöpfen.
Fazit
Civilization VII verspricht, das ultimative historische Strategiespiel zu werden. Mit seinem innovativen Zeitalter-System, der flexiblen Zivilisations- und Anführerwahl sowie der beeindruckenden audiovisuellen Präsentation setzt es neue Maßstäbe im 4X-Genre. Zudem scheint Firaxis großen Wert auf Zugänglichkeit gelegt zu haben. Die neuen Mechaniken in Civilization VII stellen einen bedeutenden Fortschritt dar, indem sie Komplexität reduzieren und gleichzeitig strategische Tiefe hinzufügen. Das Zusammenspiel aus den Innovationen sorgt für eine dynamische Spielerfahrung, die sowohl Veteranen als auch Neulinge anspricht.
Civilization VII erscheint am 11. Februar 2025, für PlayStation®5 (PS5®), PlayStation®4 (PS4®), Xbox Series X|S, Xbox One, Nintendo™ Switch, PC via Steam and Epic Games Store, and Mac and Linux via Steam. Mit seinem ambitionierten Ansatz und der Fülle an Neuerungen verspricht es, Strategie-Enthusiasten für lange Zeit zu fesseln und die Civilization-Reihe würdig in eine neue Ära zu führen