Die Protagonisten von Displaced hätten nie damit gerechnet. Natürlich gab es gelegentliche Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Separatisten, aber dass es derart eskalieren würde, war nicht vorherzusehen. Das Ergebnis ist ein vom Krieg zermalmtes Land, in dem ehemals Wohlstand herrschte. Vertrieben aus ihrem normalen Leben und ihren Häusern in einer Kleinstadt versuchen die überlebenden Zivilisten, einen Weg aus der Hölle zu finden. Es geht um das nackte Überleben.
So oder ähnlich kann die Handlung von Displaced beschrieben werden und erinnert damit inhaltlich ein wenig an The War of Mine. Wir haben uns das am 26.07.2017 veröffentlichte strategische Adventure der Entwickler von Gamexy (nicht mit uns verwandt oder verschwägert 😉 ) in Sankt Petersburg einmal genauer angeschaut.
Wie alles beginnt
Das Intro ist stimmungsvoll, wenn auch wenig spektakulär. Es werden gemalt wirkende Bilder von Zerstörung und Krieg gezeigt. Düster und beinahe monochrom. Dazu spielt eine passende Musik und der Ausbruch des Krieges wird mit Textzeilen erklärt. Anschließend geht es los, indem man seine Gruppe Überlebender zusammenstellt. Jeder der Überlebenden hat gute und schlechte Seiten. Da ist zum Beispiel der versierte Ersthelfer und ehemalige Polizist, der aber unter starken Alpträumen leidet. Oder der starke und geradlinige Metallurge, der jedoch ein starkes Alkoholproblem hat. Schon hier wird klar, dass nicht nur der Krieg Probleme bringt, sondern auch die Zusammensetzung der Gruppe für verschiedene Probleme sorgen kann.
Schließt man bestimmte Meilensteine und Errungenschaften ab, bekommt man eine größere Auswahl an Überlebenden, doch für den Anfang muss man fünf aus sechs auswählen, um die Gruppe zusammenzustellen. Hat man sich entschieden, beginnt das Tutorial – wenn man es nicht überspringt. Das Tutorial erklärt die Grundlagen des Spiels mithilfe einiger passender Aufgaben. Erklärt werden die Notwendigkeiten und Geschichten mit Sprechblasen der Protagonisten oder längeren Texten zu Orten. Schließlich wird man vor die Wahl gestellt, ob man über Land, Wasser oder Luft das Land verlassen möchte. Jede Option hat ihre eigenen Herausforderungen, auf die man während des Spiels hinarbeiten muss. So braucht man beispielsweise für die Flucht über Wasser viel Geld, um jemanden mit Schiff zu schmieren. Will man aber über Luft fliehen, ist Geld nicht ganz so wichtig, aber man sollte genügend Treibstoff für den zu stehlenden Jet haben.
Ist der Weg gewählt, wird das entsprechende Ziel (Hafen, Flughafen oder Einwanderungsbehörde) im Nebel des Krieges angezeigt und als langfristiges Ziel markiert.
Die Flucht beginnt
Jetzt ist die Karte frei begehbar. Man kann seine Überlebenden den direkten Weg zum Ziel nehmen lassen oder zunächst die Umgebungen erkunden, um mehr Rohstoffe und Gegenstände zu sammeln, Quests zu erfüllen oder andere Gruppen zu treffen. Diese Ereignisse sind zum Teil als Fragezeichen oder Ausrufezeichen auf der Karte markiert. Es kann allerdings auch sein, dass man zufällig auf ein Ereignis stößt. Immer wieder wird man mit einem Quäntchen Unsicherheit zurückgelassen. Hilft man dem alten Mann, der von Bewaffneten geschubst und getreten wird oder geht man das Risiko nicht ein? Eskortiert man die verrückt aussehende Mutter mit Kind zur nächsten Stadt oder lässt man es lieber sein? Untersucht man die alte Tankstelle nach Wertvollem oder ist das eine Falle?
Fundorte wiederholen sich einige Male. So trifft man immer wieder auf eine trostlose Tankstelle oder stößt auf ein altes Auto im Gras. Das Inventar ist dann zwar ein anderes, aber eine wirkliche Abwechslung ist es nicht. Ab und zu ist es tatsächlich mal ein Hinterhalt oder die andere Gruppe ist feindselig. Dann kommt es zu einem Kampf. Ansonsten schickt man die Gruppe von Stadt zu Stadt und übers Land. Entweder, man nimmt den direkten Weg zum Ziel, dann ist das Spiel recht schnell vorbei. Oder man erkundet das Land vorher. Dabei riskiert man jedoch um so mehr, wertvolle Gruppenmitglieder zu verlieren. Und mit ihnen verliert man die Waffen, die sie gerade bei sich tragen, ist manchmal frustrierend.
Im Krieg wird gekämpft
Ähnlich wie ihn Survival-Spielen gibt es auch bei dieser Fluchtgeschichte immer mal wieder die Notwendigkeit oder auch Gelegenheit, zu kämpfen. Die Initiative kann dabei auch vom Spieler ausgehen. Entscheidet man sich also für den Kampf oder wird dazu gedrängt, kommt man in den Kampfbildschirm. Rechts sieht man eine Spalte mit den noch lebenden Gruppenmitgliedern, rechts eine Spalte mit Gegnern. In der Mitte gibt es ungeordnete Plätze, in die man die Porträtbilder der Gruppenmitglieder ziehen kann. Ob die Position wirklich eine Auswirkung hat, konnten wir nicht feststellen, allerdings kann man die Protagonisten in drei Kampfmodi versetzen: Rohe Gewalt, heimlich und versteckt. Je nach Modus ändert sich die Kampfkraft und der Schutz der Person. Ein wenig taktieren muss man schon, wenn man erfolgreich sein will.
Hat man seine Positionen festgelegt, wird der Kampf gestartet. Von rechts und links gleiten die Porträtbilder der Kontrahenten in die Mitte und es werden die erzielten Trefferpunkte darüber angezeigt. Damit man auch weiß, wer wen getroffen hat, erscheint ein Blutfleck auf der Karte des Opfers. So richtig spannend ist das nicht und erinnert optisch und mechanisch eher an klassische Mobile Games als an einen PC-Titel. Und manchmal ist es auch schwer einzuschätzen, warum die Faust dieses Gegners stärker ist, als die des vorangegangenen, obwohl er doch weniger Lebenspunkte hat. Am Ende des Kampfes kann man die Besiegten noch plündern. Verliert man selbst ein oder mehrere Gruppenmitglieder, kriegt man zumindest Gelegenheit, sie zu begraben. Das bringt Ruhe in die Gruppe, denn geht man dagegen einfach weg, ist sie gestresst.
Was man nicht hat, muss man sich besorgen
Hin und wieder trifft man auf Händler, bei denen man Wertsachen verkaufen oder Lebensmittel und Gegenstände einkaufen kann. Der Wert der verkauften Gegenstände entspricht dabei nicht dem Wert, der unter dem Tooltip als Kosten angegeben wird. Man kriegt in der Regel spürbar weniger dafür. Aber Gegenstände, Waffen oder auch Lebensmittel sind nicht die einzigen Ressourcen, die man verwalten muss. Immer wieder leiden die Flüchtlinge Hunger oder sind gestresst. Beides wirkt sich negativ auf die Gruppenmoral aus und kann für Verluste sorgen. Der Spieler hat aber ein einfaches Werkzeug in der Hand. Entweder, er füttert seine Leute mit Lebensmitteln im Inventar oder er kocht etwas über das Aktionsmenü. Im selben Menü kann man auch eine Rast einlegen und so den Stress abbauen. Wer lieber nach Gegenständen jagen oder mehr über andere Gruppen herausfinden will, kann das ebenfalls hier veranlassen.
Ressourcen und Gegenstände bekommt man auch mit Quests. Hier wurde auf klassische Beschaffungs-, Eskort- oder Töte-x-Feinde-Quests gesetzt. Die Zielgebiete sind dann jeweils auf der Karte markiert und meistens nicht sehr weit vom Questgeber entfernt. Am Ende der Quest kann man sich in der Regel noch entscheiden, ob man sie wie vereinbart beenden möchte oder vielleicht mehr Geld und Ressourcen verlangt. Das geht aber nicht immer.
Bei unserem Testspiel war die Beschaffung von Ressourcen keine große Herausforderung, auch wenn wir am Ende aus Unwissenheit zu wenig Geld hatten, um allen Gruppenmitgliedern ein Ticket in die Freiheit zu gönnen.
Fazit
Displaced ist kein Blockbuster. Aber den Anspruch haben die Entwickler sicher auch nicht. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass der Casual-Games-Publisher Alawar mit im Boot ist. Es ist ein solider Zeitvertreib für Abenteurer, die es gerne textlastig und schlicht mögen. Keine Sprachausgabe, keine 3D-Grafiken, rudimentäre Animationen. Dennoch, das Spiel versucht dem Spieler einen Einblick zu geben, mit welchen Risiken Überlebende in Kriegsgebieten rechnen müssen. Das Ganze geschieht ohne Fulminanz und nur in Textform, untermalt von gemäldeartigen Illustrationen und einer bedrückenden Hintergrundmusik. So ganz gelingt es den Entwicklern noch nicht und man fühlt sich ein wenig in ein Endzeitszenario versetzt. Wäre es ein Mobile Game, würde man es wohl anders bewerten und eher empfehlen. Als PC-Spiel zeigt es hier aber vor allem ein faires Preis-Leistungsverhältnis für ein solides, aber wenig spektakuläres Produkt.
Wer weiß, vielleicht gibt es in Zukunft Erweiterungen, die das Spielerlebnis noch steigern und vielleicht die Immersion verstärken. Die Grundidee von Displaced ist wirklich gut und es wäre schade, wenn sie ein Schattendasein führte.
„… und der Krieg begann, sprich ein Ereignis, welches im Gegensatz zur menschlichen Vernunft und Natur steht.“ (Leo Tolstoy)
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