„I am a robot.“ – mit diesen Worten führt der Protagonist RT-217NP den Spieler in die Geschichte ein. Die Menschen haben sich durch einen fürchterlichen Krieg selbst ausgelöscht, weil sie emotional und unvorhersehbar handelten. Die ganze Welt versank dank ihnen im Chaos, so dass nur noch das an sie erinnert, was sie an Habseligkeiten hinterließen: Häuser, Möbel, Kunstwerke oder Ausrüstung. Die Roboter bevölkern nun die Erde und nutzen die Hinterlassenschaften der Menschen für ihre Zwecke und Weiterentwicklung. RT-217NP ist geschickt im Umgang mit Elektronik, scheint die eigentliche Bestimmung seiner Programmierung aber nicht zu kennen. In einem kleinen Landhaus fertigt er kleinere Auftragsarbeiten an und sein Dasein wirkt insgesamt eher beschaulich. Bis eines Tages ein kleines Transportschiff in seinem Garten landet und alles für ihn verändert.
Inspirierte Adventurekost
Wer Telltales The Walking Dead gespielt hat, dürfte ein Déjà-vu erleben. Nicht in Sachen Grafik oder Story, wohl aber in der Handhabung und dem Gameplay. Per Point and Click untersucht man Hotspots und per WASD-Steuerung bewegt man sich durch den Raum – natürlich in begrenztem Maße, denn The Uncertain vom russischen Studio ComonGames ist kein Open-World-Spiel. Dass zumindest The Walking Dead eine Inspirationsquelle war, verrät diese dezente Hommage:
Vielleicht finden sich noch weitere Hinweise auf andere Inspirationsgeber.
The Uncertain verzichtet aber auf Comicgrafik und Überzeichnung. Die Grafik präsentiert sich so realistisch wie möglich, was die Geschichte insgesamt glaubwürdiger macht. Die Grafik ist sogar sehr schön und detailreich, so dass man sich gerne umschaut. Aufwendige Beleuchtung, glänzende Oberflächen. Wasser oder sich wiegende Gräser dürften zwar manches Mal für harte Arbeit im Grafikprozessorkern sorgen, aber gelegentliche Ruckler kann man für den Augenschmaus in Kauf nehmen.
Wie bei anderen Vertretern dieses Genres gibt es leider keine deutsche Synchronisation und auch keine deutschen Untertitel. Man sollte hier also Englisch oder Russisch können. Im Abspann werden allerdings DEU, ESP und BRA als Sprache erwähnt – vielleicht kommt da noch etwas.
Codes und Spiele am Objekt
Die Interaktion mit Objekten geschieht über ein kreisförmiges grafisches Kontextmenü. Eine linse steht fürs Anschauen, eine Hand fürs Benutzen und dann gibt es bei Bedarf noch Symbole von Gegenständen, die man mit den Objekten benutzen kann oder sogar muss. Leider nimmt RT-217NP aber nur gegenstände mit, deren Nutzen er kennt. So kommt es vor, dass man zwar wichtige Gegenstände bereits entdeckt hat, sie aber erst ins Inventar aufnehmen kann, wenn die entsprechende Aufgabe getriggert wurde. Angesichts der etwas trägen Bewegung des Protagonisten können die Extrawege aufs Gemüt schlagen. Hin und wieder kommt es auch vor, dass die grüne Hand suggeriert, man könne das Objekt benutzen, tatsächlich verweigert der Protagonist das aber mit einem Hinweis auf andere Ziele oder zu wenig Platz. Es ist nicht ganz klar, ob man diese Schauplätze zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal besuchen kann, um das Benutzen nachzuholen. Während der ersten Episode war das jedenfalls nicht möglich.
Insbesondere bei elektronischen Geräten muss man bei einer Interaktion kleine Rätsel lösen oder Minispiele spiele. Oft ist es nötig, einen Code herauszufinden, für den man in der Regel Hilfestellungen vorher oder währenddessen bekommt. Wenn man sich die Anweisungen nicht genau durchliest oder die Hilfsmittel nicht als solche erkennt, kann es schon mal frustrierend sein. Eigentlich sind die Rätsel jedoch leicht zu lösen. Bei den Minispielen muss man mit geraden und gebogenen Streckenelementen zwei Punkte verbinden oder mithilfe einer sich bewegenden geraden Linie sich ebenfalls bewegende rote Punkte eleminieren, ohne grüne Punkte zu erwischen. Klingt kompliziert, ist aber klassische Rätselkost für dieses Genre.
Alles in allem ist das bisher keine große Herausforderung und manchmal sogar störend für das Gameplay.
Mangelnde Bewegungsfreiheit
The Uncertain lässt sich kombiniert mit WASD und Maus steuern. Auch wenn die Steuerung des Roboters insgesamt etwas schwammig erscheint, funktioniert sie recht gut. Problematisch wird es bei den automatischen Blickwinkeländerungen und für das Entsenden per Mausklick an einen bestimmten Ort. Ab und zu verschwindet der Gesteuerte halb aus dem Bild oder man trifft die Tür am Bildrand nicht genau. Wechselt dann die Perspektive, muss man sich plötzlich in eine andere Laufrichtung eindenken. Außerdem geht RT-217NP nicht automatisch zu Stellen hin, wenn man sie anklickt. Das wirkt etwas unkomfortabel.
Die schwammige Steuerung wird dann zu einem Ärgernis, wenn man von automatischen Geschützen oder Sicherheitsrobotern beschossen wird. Ausweichen oder das Erreichen einer Deckung können da schon mal zur Glückssache avancieren. Durch den festgelegten Blickwinkel, der ja in diesem Genre nicht unüblich ist, kann derselbe Weg unterschiedlich schwer werden, abhängig von der Laufrichtung. Ein zumindest annähernd freier Blick wäre in manchen Situationen hilfreich.
Fazit
The Uncertain erzählt eine spannende Geschichte mit schönen Bildern, stimmungsvollen Zwischensequenzen und einem großartig passenden Sound. Dabei gibt es ein paar Überraschungen, aber auch Klischees und vereinzelt logische Fragen. Das sind aber nur kleine Mängel, die einem den Spaß nicht verderben. Den Protagonisten schließt man dabei schnell ins Herz und man wird neugierig auf das, was da noch kommt. Die Grafik ist sehr ansehnlich und detailliert. Sie passt wie die musikalische Untermalung gut zur Hintergrundgeschichte und ist atmosphärisch gelungen. Leider sprechen die Roboter nur Englisch oder Russisch und so ist man nicht selten damit beschäftigt, den entsprechenden Untertitel mitzulesen, anstatt die Szenen zu genießen. Wer Englisch oder Russisch gut kann, kann die Untertitel auch deaktivieren und sich ganz über die hervorragende Vertonung freuen.
Insgesamt befindet sich The Uncertain auf einem guten Weg. Wenn ComonGames für die nächsten geplanten drei Episoden noch ein wenig am Spielkomfort und den Rätseln feilt, darf Telltales sich warm anziehen.
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